
Schufa-G-Auskunft unter Beschuss: Debatte um Glücksspiel-Limits und bevorstehende Reformen
Im Zentrum der aktuellen Diskussion um den Glücksspielstaatsvertrag steht die Frage, ob die Schufa-G-Auskunft als verlässliches Instrument zur Festlegung von Spielerlimits im Online-Glücksspiel taugt. Berichte über eine angebliche „Geheimabsprache“ zwischen Landesinnenministerien und Wettanbietern, wonach das monatliche Einzahlungslimit von 1.000 Euro ohne vertiefte Prüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit angehoben werden sollte, haben eine breite Debatte ausgelöst.
Ein wegweisendes Urteil des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom Dezember 2024 bezweifelt die Geeignetheit der Schufa-Daten. Vor dem Hintergrund einer geplanten Evaluierung des Glücksspielstaatsvertrags für 2026 und der Forderung nach stärkerem Spielerschutz rücken Rechtssicherheit, Datenschutz und präzise Regelungen in den Fokus.
Hintergrund der Limits im Online-Glücksspiel
Seit Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags dient ein automatisches Einzahlungslimit von 1.000 Euro pro Monat als zentrale Schutzmaßnahme gegen Überschuldung und Spielsucht. Ziel der Regelung ist es, das Risiko exzessiven Spielverhaltens zu minimieren und zugleich die Anbieter in die Pflicht zu nehmen, Maßnahmen zur Prävention zu ergreifen.
Die Höhe des Limits war ursprünglich politisch und wissenschaftlich abgestimmt worden, führt jedoch seit längerem zu Kontroversen. Insbesondere die Frage, ob eine pauschale Obergrenze ohne individuelle Prüfung der finanziellen Situation ausreicht, stellt die Effektivität dieses Instruments infrage.
Schufa-G-Auskunft als Basis für Limit-Erhöhungen
Im März 2025 gerieten Berichte über eine mutmaßliche Absprache in die Schlagzeilen, nach der online stattfindende Einzahlungslimit-Erhöhungen künftig – selbst bei einem Online Casino ohne LUGAS Glücksspielaufsichtssystem – auf Basis einer sogenannten Schufa-G-Auskunft erfolgen sollten. Diese spezielle Auskunft der Wirtschaftsauskunftei Schufa enthält Informationen über Bonität und vorhandene Kredite.
Anbieter wie Tipico und Verbände wie der Deutsche Sportwettenverband (DSWV) erklärten, hierbei handele es sich lediglich um eine Rückgriffsmöglichkeit im Rahmen eines Vergleichs von 2022. Kritiker bemängeln jedoch, dass die Schufa-G-Auskunft nur einen generellen Überblick liefert und nicht den tatsächlichen finanziellen Spielraum eines Individuums abbildet.
Urteil des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt
Am 12. Dezember 2024 (Az. 2 M 262/24) entschied das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt, dass die Schufa-G-Auskunft allein nicht ausreiche, um die finanzielle Leistungsfähigkeit von Online-Glücksspielkunden verlässlich zu beurteilen.
Die Richter führten aus, dass Bonitätsauskünfte lediglich vergangene Kredit- und Zahlungsverhalten dokumentieren, während sie keinerlei Informationen zu aktuellen Einkünften, monatlichen Fixkosten oder familiären Verpflichtungen liefern. Ohne Kenntnis über laufende Ausgaben (Miete, Lebenshaltungskosten, Unterhaltszahlungen) könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein Spieler trotz positiver Schufa-Bewertung bereits finanziell überlastet sei.
Das Gericht gab damit zu verstehen, dass eine wirksame Prüfung im Sinne des Glücksspielstaatsvertrags eine ganzheitliche Betrachtung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse voraussetzt – idealerweise durch Vorlage von Gehaltsabrechnungen oder Steuerbescheiden.
Reaktionen von GGL, DSWV und Anbietern
Die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) betonte umgehend, das OVG-Urteil ernst zu nehmen, wies jedoch darauf hin, dass die Schufa-G-Auskunft bislang nur eine von mehreren möglichen Prüfquellen gewesen sei.
In den aktuellen FAQ heißt es, die Auskunft diene als „ergänzendes Instrument“ zur Risikoabschätzung, werde aber stets durch eigene Verdachts- oder Stichprobenprüfungen flankiert. Der Deutsche Sportwettenverband (DSWV) und große Anbieter wie Tipico erklärten übereinstimmend, man habe nie ausschließlich auf Bonitätsdaten gesetzt, sondern in Zweifelsfällen stets Nachweise zu Einkommen und Vermögen angefordert.
Gleichwohl kündigte die GGL an, ihre internen Richtlinien zu überprüfen und Klarstellungen zu veröffentlichen, etwa zur Frage, unter welchen Umständen die Schufa-G-Auskunft herangezogen werden darf und wann ein weitergehender Nachweis obligatorisch ist.
Politische Initiativen und parlamentarische Anfragen
Nach der OVG-Entscheidung zog in Bayern der grüne Abgeordnete Tim Pargent die Konsequenzen und stellte eine umfangreiche Schriftliche Anfrage, in der er nicht nur die Effektivität des 1.000-Euro-Limits, sondern auch mögliche Schlupflöcher im Aufsichtssystem (etwa bei Anbietern ohne LUGAS-Anbindung) hinterfragte.
Staatsminister Joachim Herrmann (CSU) räumte ein, dass das Innenministerium bislang auf die Schufa-Daten vertraut habe, gelobte jedoch Transparenz: Er habe die GGL beauftragt, bis Ende Mai 2025 einen Zwischenbericht zur Anwendung der Schufa-G-Auskunft vorzulegen. Parallel prüfen auch Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, ob sie im Rahmen ihrer Aufsichtskompetenzen Verschärfungen vornehmen oder eigene Leitlinien für die Limitkontrolle erlassen.
Kritik der Suchtforschung
Der renommierte Suchtforscher Prof. Dr. Tobias Hayer von der Universität Bremen verweist auf Langzeitdaten, nach denen bereits ein Limit von 500 Euro pro Monat das Risiko problematischen Spielverhaltens statistisch signifikant senkt.
Aus seiner Sicht ist das derzeitige Limit von 1.000 Euro „eher ein Anreiz denn eine Hürde“ für Risikospieler. Er empfiehlt, statt pauschaler Auskünfte standardisiert die letzte drei Gehaltsabrechnungen oder den letzten Steuerbescheid einzufordern und diese direkt mit monatlichen Lebenshaltungskosten zu verrechnen.
Ferner plädiert Hayer für automatische Warnschwellen: Überschreitet ein Spieler innerhalb von zwei Monaten 70 % seines Jahresnettoeinkommens, sollte die Plattform eine verpflichtende Beratung oder Selbstausschluss-Option anbieten.
Reformbedarf im Glücksspielstaatsvertrag
Experten aus Politik, Recht und Wissenschaft sind sich einig, dass der Glücksspielstaatsvertrag präzisere Vorgaben zur Bonitäts- und Leistungsfähigkeitsprüfung benötigt. Vorgeschlagen wird etwa eine EU-weite Mindestforderung: Alle Anbieter müssen standardisiert Gehaltsnachweise einholen, bevor Limits oberhalb von 300 Euro genehmigt werden dürfen.
Zudem sollte der Vertrag eine Liste zulässiger Prüf-Instrumente (Schufa, Gehaltsnachweise, Steuerbescheide) und klare Kriterien für deren Reihenfolge enthalten. Diskutiert wird auch, ob die GGL eine zentrale Datenbank für dokumentierte Limitprüfungen schaffen sollte, um Doppelprüfungen zu vermeiden und bei Grenzüberschreitungen sofort eingreifen zu können. Die für 2026 geplante Evaluierung bietet die geeignete Plattform, diese Änderungen rechtlich zu verankern und damit ein Höchstmaß an Verbraucherschutz zu gewährleisten.
Risiken einer rechtlichen Fragmentierung
Sollte es nicht gelingen, auf Bundesebene einheitliche Standards festzulegen, droht eine Zersplitterung des deutschen Glücksspielrechts. Einige Bundesländer haben bereits signalisiert, im Bedarfsfall eigene Regelungen erlassen zu wollen.
Eine solche Fragmentierung könnte für Anbieter erhebliche Mehrkosten und rechtliche Unsicherheiten bedeuten. Gleichzeitig dürften Verbraucher bei unterschiedlichen Bedingungen in den Bundesländern Verwirrung erleben. Ein abgestimmtes Vorgehen ist daher nicht nur für den Spielerschutz, sondern auch für die Markttransparenz von zentraler Bedeutung.