
Post-Covid-Reboot: Warum Messeformate jetzt radikal neu gedacht werden (müssen)
Messen galten jahrzehntelang als unverrückbare Eckpfeiler im Marketing-Mix vieler Unternehmen – als Orte der Begegnung, des Vertrauensaufbaus und des Geschäftsabschlusses. Doch die Covid-19-Pandemie hat der Branche nicht nur einen zeitweiligen Stillstand beschert, sondern ihre Grundfesten erschüttert. Plötzlich standen ganze Messejahre still. Aussteller zogen Budgets zurück, Besucher blieben fern, Formate zerbröselten.
Was folgte, war ein hektisches Ausweichen auf digitale Alternativen, doch wirklich zufrieden war kaum jemand. Die Leerstelle blieb: Emotion, Präsenz, Erlebnis – all das ließ sich nicht in Livestreams und Zoom-Räumen übertragen. Gleichzeitig entstand ein tiefgreifendes Bewusstsein: Das klassische Messeformat, wie man es kannte, war weder krisenfest noch zukunftsgewandt. Heute steht fest: Ein „Weiter so“ ist keine Option. Was jetzt gefragt ist, ist ein radikales Umdenken – strategisch, technologisch und gesellschaftlich.
Neue Spielregeln im Live-Marketing: Was sich grundlegend verändert hat
1. Der Digitaldruck auf analoge Formate
Messen sind keine Insel mehr – sie stehen in direkter Konkurrenz zu digitalen Plattformen, Online-Marktplätzen und virtuellen Events. Seit Covid ist der Anspruch an digitale Integration massiv gestiegen:
- Teilnahme-Hürden müssen gesenkt werden – hybride Zugänge sind kein Bonus mehr, sondern Standard.
- Interaktive Tools wie Live-Chats, Matchmaking-Algorithmen und digitale Messehallen gehören mittlerweile zur Erwartungshaltung.
- Datenerhebung muss nahtlos funktionieren – wer nicht weiß, wie Besucher ticken, verschenkt Potenzial.
Was man früher als “digitales Add-on” betrachtete, ist heute oft das Rückgrat erfolgreicher Messekonzepte.
2. Nachhaltigkeit als wirtschaftlicher Imperativ
Flugreisen, Materialschlachten, Stromverbrauch – klassische Messen geraten zunehmend unter Druck, ihren ökologischen Fußabdruck zu rechtfertigen. Für Veranstalter bedeutet das:
- Konzepte für Wiederverwendbarkeit von Messeständen und Modulen müssen her.
- Reisevermeidung durch regionale Satellitenformate wird diskutiert.
- Kooperationen mit nachhaltigen Dienstleistern werden zum USP.
Der Wandel vom „Event“ zum „verantwortungsvollen Erlebnis“ ist nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll – besonders im B2B-Bereich, wo ESG-Kriterien zunehmend Investitionsentscheidungen beeinflussen.
3. Besucheransprüche: Erlebnis schlägt Information
Die neue Generation von Messebesuchern – ob Einkäufer, Investoren oder Pressevertreter – hat einen klaren Anspruch: Wenn man sich schon die Mühe macht, physisch zu erscheinen, dann bitte nicht für das, was man auch im PDF finden könnte.
Was zählt:
- Immersive Inszenierungen (AR/VR, multisensorische Erlebnisse)
- Live-Interaktion mit Produkten (z. B. Hands-on Labs)
- Community-Flächen statt steriler Einzelstände
Wer heute Messestand plant, braucht mehr als ein Display – man benötigt eine Erlebnisarchitektur, die Aufmerksamkeit schafft und in Erinnerung bleibt. Ein Beispiel für moderne und wirkungsvolle Displaye kann hier die Brücke zwischen Form und Funktion schlagen.
Messe-Reboot in der Praxis: Formate mit Zukunft
Micro-Messen und Pop-up-Formate
Klein, exklusiv, fokussiert – Micro-Messen bieten eine Alternative zum Großformat. Weniger Fläche, dafür kuratierte Zielgruppen, dialogorientierte Formate und hohe Abschlusswahrscheinlichkeit. Besonders in Branchen mit erklärungsbedürftigen Produkten oder Dienstleistungen zeigt sich hier viel Potenzial.
Closed-Door-Events für B2B
Keine Laufkundschaft, keine Showcases – dafür vertrauliche Gespräche auf Augenhöhe. Formate mit vorqualifizierten Teilnehmern und Zugang nur auf Einladung bieten Mehrwert, wo Netzwerke wichtiger sind als Aufmerksamkeit.
Content-Driven Exhibitions
Wissen schlägt Werbung: Statt klassischer Produktshows setzen viele neue Messeformate auf hochkarätige Vortragsreihen, Panel-Diskussionen und Bildungsangebote. Damit positionieren sich Veranstalter als Thought Leader und bieten gleichzeitig greifbaren Mehrwert.
Was Messeveranstalter jetzt tun müssen
Der Reboot ist kein kurzfristiger Trend – er erfordert strukturelle Anpassungen auf mehreren Ebenen:
Strategische Neuausrichtung:
- Messekonzepte müssen entlang konkreter Kundennutzen und Teilnehmerbedürfnisse entwickelt werden – nicht nach Fläche und Hallenplänen.
- Veranstaltungsformate müssen modular werden – sowohl digital als auch analog.
Technologischer Umbau:
- Ohne robuste Plattformen für Ticketing, Matchmaking, Streaming und Analytics bleibt man abgehängt.
- Künstliche Intelligenz kann in der Planung, Personalisierung und Nachbereitung wertvolle Dienste leisten.
Kultureller Wandel:
- Mut zur Reduktion: Weniger ist mehr – besonders im Hinblick auf Standbau, Personal und Ressourcen.
- Community statt Show: Messen müssen Orte echter Begegnung werden – nicht nur Bühnen für Selbstdarstellung.
Neudenken lohnt sich – für alle Beteiligten
Die Messebranche steht an einem Scheideweg. Wer glaubt, dass alles wieder „wie früher“ wird, unterschätzt die tektonischen Verschiebungen in Gesellschaft, Technologie und Wirtschaft. Aber gerade in dieser Umbruchphase liegt eine große Chance: Man kann Messen neu erfinden – agiler, smarter, nachhaltiger.
Denn wenn man Messen endlich als Erlebnisplattform, Wissenszentrum und Business-Catalyst zugleich denkt, dann entsteht etwas, das weit über Broschüren, Produktshowcases und Pressemappen hinausgeht. Etwas, das verbindet, berührt und Wirkung hinterlässt. Und genau das brauchen Marken, Märkte und Menschen heute mehr denn je.