Windenergie

Die Krise in der Windenergie – Politikversagen auf den Weg zur Klimaneutralität?

Die Windenergie in Deutschland steckt in einer tiefen Krise. Saubere Energie, erzeugt mit der Kraft des Windes, wird als grundlegender Pfeiler auf dem Weg zur Klimaneutralität gesehen. Die Bilder der großen Offshore-Windparks in der Nord- und Ostsee mit bis zu 80 einzelnen Windkraftanlagen sind beeindruckend. Ihre Wichtigkeit für die Energiewende, d.h. des Übergangs der Energieversorgung aus fossilen Energieträgern und Kernkraft hin zu erneuerbaren Energien, wurde in den letzten Jahren kaum in Frage gestellt. Mittlerweile sorgt die Windkraft für viele Negativ-Schlagzeilen. Unternehmen wie der Windkraft-Anlagenbauer Enercon aus der Wirtschaftsregion Weser-Ems planen einen Stellenabbau im vierstelligen Bereich. Die Politiker sind in Erklärungsnot. Liegt die Verantwortung ausschließlich auf ihrer Seite?

 

Offshore-, Onshore- und Bürgerwindparks

 

Eine Windkraftanlage nutzt Windenergie, um sie in elektrische Energie umzuwandeln. Diese wird in das Stromnetz eingespeist. Die Windräder mit den charakteristischen drei Rotorblättern drehen sich je nach Windrichtung. Der Vorteil von Windkraftanlagen ist, dass sie unabhängig von der Klimazone zum Einsatz kommen können. Der Wirkungsgrad der einzelnen Windkraftanlagen wurde in den letzten Jahren nachhaltig verbessert. Probleme wie der Diskoeffekt aufgrund glänzender Rotorblätter gehören der Vergangenheit an.

 

Während Windparks im Meer eine breite Akzeptanz bei der Bevölkerung genießen, gibt es gegen Onshore-Windparks viele Widerstände. Zu groß sind die Befürchtungen langfristiger negativer Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und das Ökosystem. Umweltverträglichkeitsprüfungen verursachen hohe Kosten. Bürgerinitiativen verhindern erfolgreich Anlagen. Die Auftragslage bei den Windrad-Produzenten ist um rund 80 Prozent eingebrochen. Ein Einbruch, der im Abbau von Arbeitsplätzen resultiert. Bei Auftragsnot hilft es den Firmen auch nicht, ausländische Arbeitskräfte zu akquirieren.

 

Die Bürger mit ins Boot zu holen und kleinere Bürgerwindparks zu fördern, ist politisch nicht mehr gewollt. Überwiegend im windstärkeren Norddeutschland haben sich viele kleinere Akteure zusammengeschlossen, um gemeinsam Windkraft-Projekte auf den Weg zu bringen. Ihr Engagement wird durch die Ausbaugrenze von Ökostrom auf 45 Prozent bis 2025 verhindert. In den ersten neun Monaten des Jahres 2019 wurden nach Branchenangaben 42,9 Prozent des deutschen Bruttostromverbrauchs durch die erneuerbaren Energiequellen Sonne und Wind gedeckt. Wie lassen sich die Forderung nach Klimaneutralität und Deckelung des Ökostroms verbinden?

 

Abnahmeverpflichtung von Ökostrom

 

Ökostrom kann in Wind- und Wasserkraftwerken, Biogasanlagen und durch Photovoltaik gewonnen werden. Viele Verbraucher sind bereit, einen höheren Strompreis in Kauf zu nehmen, wenn ein Teil ihres Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Der Rest wird mit Hilfe von Kohle, Atomkraft und Erdgas erzeugt. Im Rahmen des 2011 beschlossenen Atomausstiegs wird im Jahr 2022 das letzte deutsche Kernkraftwerk abgeschaltet. Trotz vieler Kritiker lehnt die Bundesregierung längere Laufzeiten für Kernkraftwerke ab – nicht zuletzt aufgrund des breiten gesellschaftlichen Konsens. Ist Ökostrom die Alternative?

 

Das Problem an Ökostrom aus Wind und Sonne sind die Energiespitzen und -flauten. Die Stromerzeugung ist abhängig von der Wetterlage und lässt sich nicht bewusst steuern. Es gibt Zeiten, in denen aufgrund von großflächigen Hochdrucklagen in Deutschland kein Wind weht. Selbst die vergleichsweise windsicheren Offshore-Seaparks der Nord- und Ostsee stehen dann beinahe still. Bei guter Windlage erzeugen die Anlagen so viel Ökostrom, dass er ins Ausland exportiert werden muss. Der Exportanteil des deutschen Ökostroms liegt bei rund 30 Prozent. Überwiegend wird er verschenkt. Teilweise muss Deutschland Geld für die Stromabnahme bezahlen, sogenannte negative Strompreise. Die Kosten werden auf die Verbraucher umgelegt. Grund ist, dass die Übertragungsnetzbetreiber auch ohne bestehender Nachfrage zur Abnahme und Vermarktung des Stroms verpflichtet sind. Die deutschen Anrainerstaaten errichten Stromsperren, um eine Überlastung der eigenen Stromnetze zu verhindern.

 

Diese Entwicklung sowie die hohe Abhängigkeit von im Ausland produzierten Strom haben die Politiker alarmiert und einen Prozess des Umdenkens in Gang gesetzt. Sie sehen die Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit durch die fehlerhaften Prozesse in der Energiewende gefährdet. Die Akteure der deutschen Forschung und Entwicklung haben es versäumt, rechtzeitig eine Diversifikationsstrategie zu entwicklen. Kritische Stimmen sehen die Ursachen in den hohen Förderungen im Bereich erneuerbarer Energien. Das Positive daran: “GreenTech made in Germany” hat sich zu einem internationalen Qualitätssigel entwickelt. Der Anteil am Bruttoinlandsprodukt der umweltfreundlichen Technologien wird nach Schätzungen bis zum Jahr 2025 auf 19 Prozent ansteigen.

 

Die Förderung der Elektromobilität bedeutet weitere Herausforderungen für die Verfügbarkeit von Strom. Elektrofahrzeuge werden überwiegend über Nacht aufgeladen. Die deutsche Automobilindustrie hat eine starke Lobby. Sie scheint einflussreicher zu sein, als die der Ökoindustrie.

 

Windkraft-Anlagenbauer in der Krise

 

Durch den nahezu flächendeckenden Stop des Ausbaus der Windkraft an Land befinden sich die Windrad-Produzenten in einer tiefen Krise. Ihr Wachstum basierte nicht zuletzt auf vielen, aus öffentlichen Mitteln finanzierten Fördermillionen.

 

Für Aufsehen in der Branche sorgte der norddeutsche Turbinenhersteller Enercon. In der Region Ostfriesland ist er der größte Arbeitgeber. Seit 2018 schreibt er rote Zahlen. Rund 3000 Stellen baut der Anlagenbauer nach Unternehmensangaben ab.

 

Den Mitarbeitern wurden als Gründe der harte Preiskampf auf dem Windmarkt, die Produktionsverlagerung ins Ausland sowie die politischen Rahmenbedingungen genannt. 2019 wurden 65 Anlagen ausgeliefert im Vergleich zu über 700 Anlagen in Spitzenzeiten. Die geplante Neuausrichtung beinhaltet eine stärkere Fokussierung auf Märkte im Ausland. Betroffen sind in der Folge Jobs bei deutschen Zulieferern, welche im Auftrag von Enercon die gesamte Produktion übernehmen.

 

Ein Blick hinter die Kulissen zeigt, dass viele Probleme bei Enercon in der Unternehmensführung liegen. Die Wettbewerber bieten bessere Technologien an. Enercon hat zu spät auf die Marktveränderungen reagiert und sich auf die Politik verlassen. Durch die Umstellung von festen staatlichen Vergütungen auf öffentliche Ausschreibungen konnte Enercon preislich nicht konkurrieren.

 

An Offshore-Windparks erfolgte keine Beteiligung. Andere Windkraftanlagen-Hersteller wie Nordex und Siemens Gamesa sicherten sich frühzeitig internationale Absatzmärkte und verlagerten einen Teil der Wertschöpfung ins Ausland.

 

Klimaneutralität trotz Krise ein erreichbares Ziel?

 

Bis 2050 soll das Ziel der Klimaneutralität in Europa erreicht werden. Ist dieses Ziel angesichts der Entwicklungen in der Windkraft-Branche erreichbar? Experten sprechen von einer Illusion. Zu hoch sind die wohlstandsbedingten CO2-Emissionen pro Kopf, laut einer aktuellen Studie der Deutschen Bank. Ohne massive Änderungen der Konsum- und Produktionsgewohnheiten sowie Technologiesprünge ist Klimaneutralität auf europäischer Ebene nicht durchsetzbar. Weltweit betrachtet, sieht es durch die steigenden Pro-Kopf-Emissionen der sich stark industrialisierenden Staaten mit einer korrelierenden Steigerung des Wohlfahrtsniveaus nicht besser aus.

 

Die Entwicklung neuer Strategien ist nötig, um einen Ausweg aus der Krise zu finden. Solange die Diskussion um Kosten im Vordergrund steht, wird sich keine einheitliche Lösung finden lassen. Dies sollte ein Ansporn für die Bürger sein, selbst so viel wie möglich zur Gewinnung von Ökostrom beizutragen, um die parteienübergreifende Ratlosigkeit der Politiker wettzumachen.

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